Es ist prima, dass du wieder meinen neuen Blogbeitrag entdeckt und angeklickt hast. Sicher bist du neugierig, wie es mit den offenen mathematischen Spiel- und Lernfeldern nun weiter geht. Oder möchtest du am liebsten gleich so richtig loslegen? Ja das kannst du heute, denn nachdem ich dir die Spezifik der offenen mathematischen Spiel- und Lernfelder zunächst allgemein vorgestellt habe und dann auf deren konkreten Merkmale eingegangen bin, möchte ich dich heute einladen, selbst ein solches offenes Feld für deine Kinder vorzubereiten.
Bevor es richtig losgeht ein kurzer Rückblick. Hast du vielleicht nach dem letzten Beitrag nochmal besonders über die Offenheit nachgedacht? Und sind dir dabei Gedanken gekommen wie: „Wenn eine solche Offenheit vorhanden sein sollte, wie kann ich das denn vorbereiten und vor allem auch eine offene Planung hinbekommen? Und ist diese überhaupt sinnvoll? Ich weiß doch im Vorfeld gar nicht, was genau die Kinder entdecken oder erforschen wollen?“ Oder: „So viel Offenheit verunsichert mich. Dann macht ja jedes Kind was es will und mir entgleitet alles. Passt das zu den curricularen Vorgaben?“ Das sind sehr gute Gedanken und ich kann dir im Vorfeld schon sagen: Es braucht von deiner Seite 1. vor allem Vertrauen in die Kinder, dass sie kreative Ideen haben werden 2. eine gute Portion Mut von deiner Seite, Dinge auszuhalten, von denen du zunächst nicht weißt wo sie hinführen und 3. eine neugierige Grundhaltung für die tollen Einfälle, die die Kinder mitbringen werden.
Aber was es noch braucht, sind ein paar gedankliche sowie inhaltlich-organisatorische Vorbereitungen, um einerseits einen Rahmen für die Kinder zu setzen, in dem sie sich offen, frei und kreativ bewegen können und um andererseits als Lernbegleiter selbst die Chancen und Potenziale des Settings voll ausschöpfen zu können. Als ein solcher methodischer Rahmen hat sich innerhalb unserer Erprobung immer wieder eine dreigeteilte Schrittfolge bewährt: eine Einstiegsphase, eine Forscherphase sowie eine Präsentations- und Auswertungsphase. Auf dieses Ritual werde ich im nächsten Blogbeitrag genauer eingehen.
Wenn du jetzt mitmachen möchtest, dann wähle doch ein Material aus, welches dich besonders anspricht. Du erinnerst dich sicher noch an die von mir vorgeschlagenen Alltagsmaterialien, die oft ein enormes mathematisches Potenzial mitbringen und den von mir wichtigen Kriterien: EINFACH, BILLIG und GENIAL entsprechen. Ich nehme als Beispiel mal Wäscheklammern, denn ich selbst habe sie als Kind geliebt.
Die erste Voraussetzung hinsichtlich der Vorbereitung offener Spiel- und Lernfelder besteht im Erkunden des mathematischen Potenzials des Materials (also der Wäscheklammern) durch den Lernbegleiter (also durch dich) selbst. Einerseits sammelst du somit wertvolle Selbsterfahrungen im Umgang mit den entsprechenden Dingen und andererseits werden wichtige mathematische Einsichten in Bezug zu vielfältigen Möglichkeiten mit dem Material gewonnen. An folgenden Leitfragen kannst du dich beim eigenen Erkunden orientieren:
- Welche mathematischen Erfahrungen und Entdeckungen sind möglich?
- Welche mathematischen Lernprozesse können mit dem Material angeregt werden?
- Zu welchen mathematischen Fragestellungen fordert das Material heraus?
- Mit welchen Fragen und Impulsen könnten die Kinder angeregt werden?
- Welche Ideen und Vorgehensweisen könnten Kinder dabei entwickeln?
- Wie können Kinder zur Kommunikation über ihr Tun angeregt werden?
- Welche Inhalte bieten sich für den Austausch an?
- Wie können die Kinder zur Dokumentation ihres Tuns angeregt werden?
- Welche Formen der Dokumentation werden durch das Material angeregt?
Zurück zu unseren Wäscheklammern! Auf mehreren Fortbildungen haben Lernbegleiter sowohl aus dem Kita- als auch aus dem Grundschulbereich viele Ideen zu Wäscheklammern entwickelt. Hier ein paar Beispiele:
- Klammer entdecken: Material, Legen geometrischer Figuren (Kreise, Quadrate, Rechtecke), Symmetrie, Parallelität, Anzahlen schätzen und messen der Klammergröße, …
- alle Klammern sortieren: Farbe, Material, Größe, sauber, schmutzig, heil, kaputt, …
- mit Klammern messen: Klammer als Maßeinheit (Miss deine Körpergröße im Klammermaß! Miss Schulmaterial in Klammermaß!
- mit Klammern legen (ohne Zusammenklammern): Muster mit und ohne Vorgabe legen, Figuren mit und ohne Vorlage legen
- mit Klammern bauen (mit Zusammenklammern): Figuren und Körper bauen, Fantasiegebilde und – figuren bauen
- mit Klammern stapeln: Türme stapeln (Wie viele Stockwerke kannst du bauen, ohne dass der Turm einstürzt? Wer baut den höchsten Turm? Schaffen 4 Klammertürme mit je 10 Stockwerken deinen Schulranzen zu tragen? Kannst du Buchstaben, Zahlen, deinen Namen mit Klammern bauen?)
- mit Klammern zählen: Wie viele Klammern brauchst du, um ein E, usw. zu bauen? Wie viele Klammern hast du von jeder Farbe?
- mit Klammern rechnen: Bestimme die Anzahl von Klammern jeder Farbe! Errechne die Differenzen! Wie viele Klammern jeder Farbe musst du addieren oder subtrahieren, um von jeder Farbe die gleiche Anzahl zu haben!
- mit Klammern wiegen: Sind Klammern unterschiedlicher Farben verschieden schwer? Welche Farbe ist am schwersten, leichtesten?
- mit Klammern schätzen: Wie viele Klammern sind in der Kiste? Wie viele Klammern brauchst du, um einen vollen Kreis zu bilden?
- mit Klammern transportieren: Probiere Dinge mit der Klammer von der einen Tischkante zur anderen zu tragen! (Blatt, Füller usw.) Baue einen Turm und nimm die Klammer als Werkzeug!
- Klammern als Motivator: Für jede gelöste Aufgabe darfst du dir eine Klammer nehmen! Wie viele Klammern hast du, dein Team, die Klasse geschafft?
- Klammer als Wahrscheinlichkeit: Wie viele Lagemöglichkeiten findest du, wenn du eine Anzahl (5, 7, 10) Klammern in die Luft wirfst, und diese auf dem Boden landen?
Aber weißt du was? Im Sammeln von Ideen, was man mit Materialien machen könnte, sind wir richtig gut. Die große Herausforderung besteht eigentlich darin, um dieses Potenzial zu wissen und die Kinder herauszufordern eigene spannende Ideen, ja gar eigene Forscherfragen zu entwickeln und ihnen nicht unsere Denkpfade aufzuzwingen. Denn du erinnerst dich an das moderne Kindbild: Kinder wollen lernen und die Welt erkunden. Das was Kinder von sich aus motiviert tun, das bringt nachhaltige und positive Lerneffekte mit sich. Kinder lernen vor allem mit Begeisterung und diese Begeisterung ist am größten, wenn sie ihre eigenen Fragen und Themen bearbeiten. Deshalb kann es auch gut sein, dass manche Kinder unsere Wäscheklammern oder „unsere“ Ideen mit ihnen total blöd finden.
Eine zweite unversichtbare Voraussetzung für den Einstieg in ein offenes Spiel- und Lernfeld ist deshalb, dass die Kinder ausreichend Möglichkeit erhalten das Material selbst zu erkunden und du sie dabei beobachtest. Dies kann sowohl in Freispielphasen (in der Kita) oder in Pausen (in der Grundschule) als auch in der Einstiegsphase (vgl. methodischer Ablauf) geschehen. Die Aufgabe der Lernbegleiter ist in beiden Fällen eine genaue Beobachtung der Kinder, um sowohl ihre Interessen, Themen und Bedürfnisse herauszufinden als auch ihre mathematischen Kompetenzen dabei zu erfassen. Erste Ideen der Kinder zum Umgang mit dem jeweiligen Material werden hierbei sichtbar. Dies bildet die Grundlage für weitere Impulse innerhalb der Forscherphase (vgl. methodischer Ablauf im nächsten Beitrag) und für die Anregung ko-konstruktiver Lernprozesse. Bei den Beobachtungen kannst du dich an folgenden Leitfragen orientieren:
- Was machen die Kinder mit dem Material?
- Welche Ideen entwickeln die Kinder im freien Umgang mit dem Material?
- Wie ausdauernd beschäftigen sich die Kinder mit dem Material?
- Arbeitet ein Kind lieber allein oder mit einem oder mehreren Kindern zusammen?
- Welche Kinder sind „Ideenentwickler“ und welche Kinder sind eher „Beobachter“ und übernehmen die Ideen von anderen?
- Welche Aktivitäten ermöglichen das Material und könnten als offenes Spiel- und Lernfeld gestaltet werden?
So dann kannst du jetzt richtig loslegen. Wähle dein Lieblingsmaterial und erforsche selbst sein mathematisches Potenzial. Natürlich wirst du hierbei auch lernbereichs- bzw. fächerübergreifende Ideen sammeln und das ist super so! Ein ganzheitlicher und komplexer Blick schafft ebenfalls einen positiven Effekt beim Lernen. Dabei wirst du auch merken, welche besonderen Hilfsmittel vielleicht noch angebracht sind, die die kleinen Matheforscher unterstützen könnten. Ja und wenn du meinst, es könnte sinnvoll sein, dann gib den Kindern das Material doch einfach mal zum Spielen, halte dich mit allem zurück und beobachte nur, was sie damit tun.
Ich freue mich auf deine Fragen und Kommentare und wir besprechen dann im nächsten Beitrag den letzten Schritt (Zum methodischen Ablauf offener Spiel- und Lernfelder), bevor du dann mit den Kindern loslegen kannst.
Bis dahin viel Freude beim Matheforschen,
Mandy Fuchs