Wunschräume von Kindern

Wollt ihr vielleicht gerade eure Kita neu gestalten? Habt ihr vor, ein neues Raumkonzept für euren Klassenraum zu erarbeiten? Oder aber sitzt ihr vielleicht gerade mit eurem Architekten zusammen, um einen Kitaneu- bzw. Umbau zu planen? Da habe ich einen genialen Tipp für euch: Fragt doch einfach eure Kinder! Die wissen ganz genau, was sie brauchen und was ihnen gut tut!

In einem Buch von Erziehungswissenschaftlern (Haug-Schnabel & Bensel 2012, S. 109) fand ich die Antworten einer Befragung von Kindern zwischen vier und sechs Jahren. Die Erwachsenen wollten von ihnen wissen, wie die Räume ihrer Wunschkita aussehen und ausgestattet sein sollten und welcher Raum ihnen noch fehlt. Hier könnt ihr die Antworten der Kinder lesen:

  • ein Sprechraum, also ein Raum, in dem man nur miteinander spricht und nur deswegen dort hingeht;
  • ein Raum ohne Uhr;
  • ein Raum mit nichts, um gut rennen zu können;
  • ein Raum, in den man nicht reinschauen kann;
  • ein Raum, in dem man auch mal Krach haben und sauer sein darf;
  • ein Langeweileraum, in dem niemand fragt: Weißt du nicht, was du spielen willst, hast du keine Idee? Willst du vielleicht …;
  • ein Raum nur mit Spiegeln, Verkleidungssachen und Schminksachen, in dem es keinen stört, wenn man mit Klackerschuhen herumläuft;
  • ein Raum nur mit Ton, Farben, Papier, Perlen, Kleister, Knete;
  • ein Raum, in dem man immer klettern kann, sogar richtig schwierige Klettereien;
  • ein Dunkelraum, in dem man nur nach etwas tasten oder etwas fühlen, aber nichts sehen kann;
  • ein Raum mit richtigen Apparaten, echten Geräten und viel Papier, damit wir die Erfindungen aufschreiben können;
  • ein Kaputtraum, nur mit kaputten Dingen, weil wir sonst nichts auseinander- oder umbauen dürfen. Mit kaputten Sachen könnte man etwas ausprobieren, weil sie dann nicht nochmal kaputt gehen können;
  • ein Raum, in dem man richtig bauen kann, so dass alles hält, eine echte Baustelle, am besten im Garten, mit Arbeiterwerkzeug, Steinen und Bausand, Zement und Holz, viel Holz;
  • ich fände Zimmer wie Häuser einer ganzen Stadt gut. Statt in die Katzengruppe könnte man ins Kaufhaus, ins Tierheim oder ins Krankenhaus gehen.

Na, seid ihr gerade auch so erstaunt, wie ich, als ich die Antworten das erste Mal las? Zeigen sie uns doch einiges ganz deutlich: 1. dass sich etwas ändern muss, etwas, was wir schon länger erahnt haben und in einigen Kitas und Grundschulen bereits umgesetzt wird und 2. dass wir den Kindern vertrauen und sie mit einbeziehen können, denn sie wissen schon ganz genau, was sie zum Weltentdecken brauchen.

Wenn wir nämlich zurück blicken, prägte die Raumgestaltung (sowohl in Kitas als auch in Grundschulen) über viele Jahre hinweg ein, wir würden heute sagen traditionelles Konzept: das Konzept der Gruppen bzw. Klassenräume. Ein traditioneller Gruppenraum z.B. in einer Kita war bzw. ist noch heute mehr oder weniger einheitlich eingerichtet: eine Bauecke, eine Puppenecke, eine Bücherecke und eine Tischgruppe mit Stühlen für alle Kinder. Hinzu kommen ein einheitliches Inventar, Spielmaterialien, die nur in einem Raum bleiben durften und eine Dekoration nach dem persönlichen Geschmack der Gruppenerzieherin. Desweiteren gab es einen von jeder Erzieherin selbst geregelten Tagesablauf mit einem Wechsel von Freispiel (drinnen und draußen) und verpflichtenden Beschäftigungen, der sich an ein von der Kitaleitung vorgegebenen Tagesablauf mit festen Essen- und Schlafzeiten orientieren musste. Auch in den Grundschulen war bzw. ist es ähnlich.

Neben den Einflüssen reformpädagogischer Ansätze, wie z.B. der Pädagogik von Montessori, Freinet oder Malaguzzi (also der Reggio-Pädagogik) hat vor allem die Idee der Offenen Arbeit Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts dazu beigetragen, dass ein Paradigmenwechsel bezüglich der räumlichen Strukturierung stattfand. Die Idee der Offenen Arbeit besteht nämlich darin, nicht mehr in Gruppen- bzw. Klassenräumen mit „Funktionsecken“, sondern in „Funktionsräumen“ (Werkstätten, Ateliers, Labore, …) zu arbeiten. Für eine solche Umwandlung z.B. in der Kita gibt es mehrere Begründungen, z.B.:

  • Kinder können selbst entscheiden, welche Räume und Materialien sie nutzen, sie sind also wirklich selbsttätig,
  • Kinder laufen nicht ziellos im Raum hin und her, weil sie nicht wissen was sie tun sollen, sondern beschäftigen sich intensiv in interessanten Räumen,
  • Kinder können sich besser konzentrieren, da es spezialisierte Arbeitsbereiche gibt,
  • Kinder müssen sich nicht mehr gegenseitig stören, da es im Gruppenraum oft zu Interessenkonflikten aufgrund der Enge kam,
  • Räume sind frei von Tischen und Stühlen zum Essen,
  • die Einrichtung von Kinderrestaurants führt dazu, dass vor dem Essen nicht aufgeräumt werden muss, dass nach dem Essen eine entspannte Atmosphäre herrscht und dass es mehr Platz zum Spielen gibt,
  • Kinder finden in Funktionsräumen viel von dem, was in einen bzw. in miteinander verwandte Bildungsbereiche gehört.

Die einzelnen Bildungsbereiche im Elementarbereich bzw. Unterrichtsfächer im Primarbereich bieten eine gute Orientierung für die Raumgestaltung:

  • Mathematisches, naturwissenschaftliches, technisches Grundverständnis: Forscherzimmer, Labor, Experimentierraum, Mathewerkstatt, …
  • Kommunikation, Sprache(n), Schriftsprache(n): Bibliothek, Literacy-Raum, Wortwerkstatt, Druckerei, …
  • Ästhetische Bildung (sinnliche Wahrnehmung, musische Aktivitäten, kreatives Gestalten): Bauraum, Kinderküche, Spielezimmer, Theaterwerkstatt, Musikzimmer, Kinderoper, Spiegelsaal, Atelier, (Holz-, Ton-, Filz-, Textil-, Papier-)Werkstatt, …
  • Bewegung, körperliche Aktivität: Sportpalast, Turnhalle, Bewegungsbaustelle, Matschraum, …
  • Ruhe, Entspannung, Mittagsschlaf: Snoezelraum, Schlafraum, Kuschelraum, Traumzimmer, …
  • Essen, Nahrung zubereiten: Restaurant, Cafeteria, Küche, …

Ja und genau das wissen auch unsere Kinder. Ihre Antworten weiter oben zeigen es uns! Also lasst sie uns mit einbeziehen, in die gemeinsame Planung und Gestaltung von Räumen, Konzepten und neuen Strukturen!

In den beiden nächsten Beiträgen geht es dann um MEINE Wunschräume in Kitas und Grundschulen, nämlich um Werkstätten und Ateliers und ganz speziell um das Einrichten einer Mathewerkstatt. Ihr dürft gespannt sein!

Eure Mandy Fuchs

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